Interview mit Antje Babendererde



1. Welche Indianerstämme Nordamerikas haben sie besucht und welche Erfahrungen brachten sie mit?

Ich war bei den Hopi, den Navajo, verschiedenen Pueblovölkern, bei den Lakota, den Cheyenne, den Shoshoni, den Crow, den Schwarzfuß, den Apachen, den Makah, den Quileute, den Hoh, den
Quinault, den Cree ... und in vielen sehr kleinen Reservaten. So verschieden die Indianervölker in ihrer Lebensweise, ihrer Tradition sind, so verschieden die Landschaften sind, in denen sie leben, und die Probleme, mit denen sie kämpfen, so verschieden waren auch meine Erfahrungen. Aber es gibt auch Gemeinsamkeiten: Die meisten Indianervölker in Nordamerika leiden immer noch unter der Politik ihres Landes, kämpfen mit der Zerrissenheit, in die diese Politik sie fallen lassen hat. Besonders die Jugendlichen leiden darunter und flüchten sich in Alkohol und Drogen.

2. Welchen Indianerstamm haben sie besonders viel bereist und besonders in ihr Herz geschlossen und warum?

Besonders oft war ich bei den Lakota in Pine Ridge, das hat sich so ergeben, weil ich Mitglied des
„Lakota Village Fund“ bin, einem deutschen Verein, der in diesem Reservat arbeitet. Die Lakota
leiden besonders unter der Vergangenheit und haben große Schwierigkeiten, das Leben im 21,
Jahrhundert zu meistern. Es zieht mich immer wieder dorthin, weil ich Menschen kennengelernt habe, die unermüdlich für eine bessere Zukunft kämpfen. Besonders ins Herz geschlossen habe ich die Makah an der Nordwestküste. Ein kleines, stolzes Volk, das umgeben vom Pazifik lebt, abgeschieden von der übrigen Welt. Durch seine hervorragenden Künstler und die Offenheit der Menschen ist es jedoch verbunden mit der Welt und stellt immer wieder Erstaunliches auf die Beine, um die eigene Lebenssituation zu verbessern.

3. Wir alle kennen die Indianer Filme und Indianer Geschichten und haben uns mit der Zeit unser eigenes Bild von den Indianern gebildet. Auch sie sind seit Ihrer Kindheit Fasziniert von den Indianer und deren Lebensweise. Welche Ansichten haben sich bestätigt und welche Dinge haben sich als falsch herausgestellt?

Diese Kollision von Vorstellungen mit der Wirklichkeit ist ein fortbestehender Prozess, dem ich mich auf jeder Reise stelle. Vorstellungen, Klischees, Stereotypen – sie bestätigen sich und werden
verworfen, das ist sehr spannend und deshalb fliege ich jedes Jahr ins Indianerland. Dieses Jahr war
ich zwei Monate lang bei den Lakota im Pine Ridge Reservat und habe viel erfahren, wovon ich keine Ahnung hatte. So werden meine Ansichten auch immer wieder aufs Neue korrigiert, einfach durch besseres Verstehen.

4. Wie können wir uns die Begegnungen und das Zusammenleben mit den Indianern mit Ihnen vorstellen?

Auch das ist jedes Mal ein neues Abenteuer. Wenn ich reise, bin ich offen, lerne neue Leute kennen, folge Einladungen, versuche am Alltagsleben teilzunehmen. In Pine Ridge kenne ich inzwischen einige Leute, daraus ergeben sich immer wieder neue Kontakte.

5. Wissen die Menschen, mit denen sie sprechen, dass sie über Indianerstämme Nordamerikas schreiben? Wie reagieren sie darauf?

Leute, die mich kennen, wissen das. Lerne ich jemanden neu kennen, platze ich natürlich nicht gleich damit heraus. Aber - bleibt es nicht beim Small Talk, wird meist sehr schnell nachgefragt, was man für seinen Lebensunterhalt tut. Dann erzähle ich von meiner Arbeit. Hin und wieder gibt es Indianer, die werden verschlossen, wenn sie wissen, warum ich da bin. Aber die meisten stehen meiner Arbeit sehr offen gegenüber und erzählen freimütig, was sie für wichtig erachten. Ein Pluspunkt ist dabei, dass ich Romane für Jugendliche schreibe. Die Indianer wollen, dass die jungen Leute in Europa über ihre Situation in den Reservaten Bescheid wissen, denn sie sind die Touristen von morgen.

6. Fast in jedem ihrer Bücher geht es um eine kleine Liebes Geschichte, welche Erfahrungen haben sie gemacht bei den Indianerstämmen. Haben sie vielleicht sogar eine eigene Liebesgeschichte erlebt?

Nein – abgesehen dass mein Herz für Amerikas Ureinwohner schlägt, habe ich selbst keine
Liebesgeschichte erlebt und war auch nicht darauf aus. Meine Familie ist mir sehr wichtig. Und es ist mir wichtig, dass ich in den Reservaten ernst genommen werde – deshalb sind die Liebesgeschichten teil erfunden, teils erzählt bekommen.

7. Wir haben natürlich auch sehr viele Twilight-Fans unter unseren Usern, die gerne wissen möchten was sie uns über den Quileute Stamm berichten können. Wie lange haben sie dort gelebt? Wie leben diese Menschen?

Ich war 2001 zum ersten Mal einige Zeit in La Push, da reifte auch schon die Idee zu Indigosommer. Dann war ich 2008 noch einmal längere Zeit dort und in diesem Jahr wieder. Der Kult um Jacob Black wächst. Würde ich Indigosommer noch einmal schreiben, könnte ich noch ein paar herrliche Gags hinzufügen. Es gibt jetzt ein Jacob Black Cafè am Ortseingang und ich habe mich sehr erschreckt, als ich hinter den Vorhängen in einem Fenster eine Gestalt entdeckte, die auf mich herabsah – das war auch Jacob. Die Quileute nehmen den Hype mit Humor. Die Mädchen sind mit ihren Eltern am Strand zu finden – im Ort allerdings weniger. Die Quileute leben, wie ich es in Indigosommer beschrieben
habe.

8. Wurde Ihnen etwas über die Legenden der Quileute erzählt?

An einem Abend konnte ich einem Geschichtenerzähler lauschen, aber die Geschichten kannte ich
schon – sie ähneln sich alle. Geheime Geschichten werden Fremden nicht erzählt und das ist auch
besser so.

9. Ihr Roman "Indigosommer" erzählt von amerikanischen Jugendlichen (und ein deutsches Mädchen) die nach La Push reisen um dort zu Zelten und zu Surfen. In der Geschichte ist der Argwohn und die Verachtung gegen "Weiße" all gegenwärtig. Ist es in Wirklichkeit auch so oder anders, was waren ihre Erfahrungen?

Die Meinungen unter den Quileute sind da sehr gemischt. Der Tourismus ist beinahe die einzige
Einnahmequelle der Leute im Ort. Da gibt es ja die beiden Hotels, Cabins, Zeltmöglichkeiten und
Caravanstellplätze. Tatsächlich bemerkt man von den Urlaubern recht wenig, sie sind tags meist in der Gegend unterwegs und die meisten speisen auch nicht im Rivers Edge, sondern in Forks. Der Stamm braucht die Gäste, deswegen verhalten sich die meisten Quileute freundlich. Was sie denken, sieht oft anders aus. Ich habe in Blogs recherchiert, in denen sich jugendliche Surfer über die Quileute auslassen und junge Quileute über die Surfer. So bin ich auf den Konflikt in Indigosommer erst gekommen. Aber dieses Jahr habe ich wieder im Rivers Edge gespeist, und auch wenn die Toiletten noch erbarmungswürdiger aussahen als vor zwei Jahren, die Bedienung war sehr, sehr freundlich. Dinge können sich also ändern.

10. In "Indigosommer gab es einige Misch Ehen, das heißt es wurde über Personen gesprochen die mit weißen verheiratet waren oder mit weißen "abgehauen" sind. Dies wurde im Buch nicht als "gut" geheißen sich in Weiße zu verlieben. Wie sieht die Wirklichkeit aus?

Natürlich gibt es Mischehen und auch da gibt es keine einheitliche Meinung. Es gibt Leute, denen
gefällt das nicht – zumal eine Indianerin, heiratet sie einen Weißen, ihren Status als „enrolled
Member“, als eingetragenes Stammesmitglied verliert - und ihre Kinder somit ebenfalls. Die Quileute sind ein kleines Volk und wollen als Volk überleben. Aber kaum ein Weißer möchte in La Push leben, also gehen die Angetrauten fort. Das ist ein Verlust für den Stamm.

11. Haben sie irgendwelche Sitten und Bräuche der Indianer mit in ihren Alltag eingearbeitet?

Nein. Ich lebe in Deutschland und mein Leben hier unterscheidet sich gründlich vom Leben in einem Indianerreservat. Sitten und Bräuche gehören dorthin, wo sie entstanden sind, denn dafür gibt es meist ganz spezielle Ursachen und Gründe. Ich wünschte mir manchmal mehr indianische Gelassenheit, aber die entwischt mir immer ganz schnell wieder, wenn ich in meinen deutschen Alltag zurückkehre. Manchmal räuchere ich mit Sage oder Süßgras in meinem Arbeitszimmer, aber nicht um böse Geister zu vertreiben, sondern mich durch den Geruch in die andere Welt zu versetzen.

12. Vor kurzem waren sie für eine gewisse Zeit wieder bei den Indianerstämmen in Nordamerika, welchen Stamm besuchten sie? Haben sie Geschichten mit nach Hause genommen? Wie war ihre Zeit dort, was haben sie mitgenommen?

Ich war die meiste Zeit im Pine Ridge Reservat, wo die Lakota leben. Ja, ich habe sehr viele
Geschichten mit nach Hause genommen, ein Großteil davon ist allerdings so traurig, dass ich es nicht in einem Jugendbuch verarbeiten kann. Die Zeit war dennoch gut für mich, weil ich nun viel mehr verstehe – nur, dass keine Lösung all der großen Probleme in Sicht ist, bedrückt mich sehr.

13. Sind sie schon an einem neuen Buch dran? Was können sie uns verraten?

Ich arbeite an einem neuen Jugendbuch, das in Pine Ridge spielt. Es geht darin um eine traurige
Geschichte, die tatsächlich passiert ist und um ein Mädchen, das zwischen zwei Jungen steht. Mehr
will ich noch nicht verraten.


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