„Cosmopolis“ von Don DeLillo ist ein zeitgenössischer Roman aus dem Jahr 2003, der von David Cronenberg für die Leinwand adaptiert wurde und gerade in den deutschen Kinos im Verleih der Falcom Media angelaufen ist. Deshalb hat der Kiepenheuer & Witsch Verlag das Buch zum Film zur Deutschland-Premiere am 31.5.2012 auch als Taschenbuch herausgebracht. |
Das Hardcover (2. Auflage 2003) umfasst 204 Seiten und hat auf dem Umschlag eine Stretchlimousine abgebildet, das Taschenbuch umfasst 205 Seiten ohne Bilder zum Film und hat das Filmplakat mit Eric/Robert in seiner Limo abgebildet. Ich durfte der Pressevorführung zur Premiere in Berlin beiwohnen und möchte euch jetzt das Buch und den Film vorstellen. Für das Rezensionsexemplar bedanke ich mich herzlich!
Eric Michael Packer, Spekulations-Milliadär in der Sinnkrise, braucht einen Haarschnitt – so viel steht fest! Dazu muss er mit seiner Stretchlimousine quer durch New York zum Frisör seiner Kindheit – und das obwohl der Präsident in der Stadt ist, wodurch ganze Areale nicht passierbar werden, ein großer Beerdigungszug die Straßen blockiert und ein Attentäter hinter ihm her ist. So kriecht er dahin und führt sein Imperium von der Limo aus: er spekuliert gegen den japanischen Jen (im Film: chinesischen Yuan) und ruiniert dabei sein gesamtes Vermögen. Alle müssen zu ihm in die Limo kommen: Technologiechef, Währungsanalyst, Galeristin und Geliebte (im Film), Finanzchefin, Oberste Theoretikerin, sogar der Arzt, der dort seine Prostata untersucht! Auch Sex hat er in der Limo (und nicht nur dort), aber der ist ihm nicht wichtig. Er sucht die Verbindung zu seiner ihm entfremdeten Frau Elise die er als einzige immer wieder trifft, dafür verlässt er sogar seine Limo, er versucht sie zu verstehen, an sich zu binden, Sex mit ihr zu haben, scheitert jedoch. Gleichzeitig blockieren Demonstranten gegen die Börse die Straßen und überfallen und verunstalten sein Auto.
Auch das dringt nicht richtig zu ihm vor, wir erleben das aus der abgeschiedenen, der Welt enthobenen Isolation Erics in seiner Limo. Nur als sein Lieblings-Rapper zu Grabe getragen wird, zeigt er Emotionen, die man dankbar aufnimmt. Eric sinkt immer tiefer in den Strudel der Ereignisse, driftet bewusst seiner Selbstzerstörung entgegen: er verlangt von seiner Bodyguard mit einer Taser-Waffe geschockt zu werden, ein Tortenattentäter lauert ihm auf und der halbfertige Haarschnitt gleicht eher einer Verstümmelung. Wenn er endlich in Erfüllung des Schicksals seinem Attentäter Benno entgegen tritt, traut man sich kaum zu atmen, so dicht ist die Atmosphäre. Es zieht sich immer länger, man möchte, dass es aufhört, denn der Dialog lastet zentnerschwer auf einem, aber dann auch wieder nicht, denn solange sie reden, schießt er nicht. Seine letzte Kugel schießt Eric sich selbst in die Hand und so driftet das Szenario in eine Hinrichtung.
Don DeLillos Roman ist keine leichte Kost und dementsprechend ist auch David Cronenbergs Filmadaption sehr fordernd. Die fast schon philosophischen Dialoge wurden von Cronenberg 1:1 übernommen – weshalb sich Buch und Film gut zusammen besprechen lassen – und verlangen eine gewisse Konzentration, in beidem! Die Sprache DeLillos ist beinahe wie in Stein gemeißelt, was auch bei der Übersetzung deutlich wird. Die Dialoge im Film werden wie Gedichte rezitiert – vor allem in der OV des Films ein absoluter Hochgenuss!
Das fast kammerspielartige Setting in der Stretchlimousine, in der der Großteil der Handlung stattfindet (im Film mehr noch als im Buch), lässt uns zu Eric in die Limo kriechen und nimmt uns mit in seine Isolation. Zäh kriecht die Handlung, genau wie die Limo und nimmt doch den Leser/Zuschauer gefangen, unaufhaltsam auf dem Weg zur Selbstzerstörung. Immer im Fokus dabei Robert Pattinson, der den Eric famos verkörpert in seiner unnahbaren Entrücktheit, in der Einsamkeit derer, die ganz oben stehen. Er dominiert jede Szene, macht seine Gegenüber zu Spielbällen, lässt uns bei Erics Demontage mitfühlen und mitleiden bis er im Finale auf den ebenfalls großartigen Paul Giamatti (Benno) trifft. Beide liefern sich ein selten gesehenes Rededuell von unglaublicher Intensität, das einen in den Sitz schweißt und man hinterher nicht weiß wie man je wieder aufstehen soll.
„Cosmopolis“ ist ein besonderes Buch und sicher der etwas andere Film, meisterhaft inszeniert vom Meister des Bizarren mit einem brillanten, ganz anderen Robert Pattinson. Wer sich darauf einlässt, wird mit einem Kunstwerk belohnt, das haften bleibt und noch lange zum Nachdenken anregt. Kino vom Feinsten und absolut lesenswert!
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